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Strategien zur Unterstützung von Mitarbeitenden in der Transformationsphase

19.05.2023

Am 07. und 08. Juli 2023 wird die EBS Coaching & Leadership Conference stattfinden. Einer der Top-Speaker ist Dr. Nico Rose. Im Interview gibt er erste Einblicke in sein Vortragsthema.

 

EBS: Vielen Dank, dass Sie als Keys-Speaker an unserer EBS Coaching & Leadership Conference am 07. und 08. Juli 2023 teilnehmen werden. Was dürfen sich unsere Veranstaltungs-Teilnehmer:innen unter Ihrem Vortragstitel „Was einmal war und was nie sein wird: Über Trauer und Träume in der Transformation“vorstellen?

 

Dr. Nico Rose: Ich werde über zwei unterschiedliche, jedoch verwandte Aspekte sprechen. Zum einen geht es um typische emotionale Muster im Rahmen von Veränderungsprozessen. Vereinfacht gesagt: Da, wo etwas Neues kommen soll, muss notwendigerweise etwas Altes weichen. Dies löst bei vielen Beteiligten auf der kognitiven Ebene Reaktanz aus, weil es uns schlicht nicht gefällt, wenn uns etwas weggenommen wird. Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat das unter dem Begriff "Verlustaversion" bekannt gemacht. Menschen haben die interessante Fähigkeit, sich zu binden. Das allerdings nicht nur an andere Menschen, sondern auch an Orte und Räume, an Ideen, Ziele und Träume. Genau auf solche Bindungen wird aber im klassischen Change-Management kaum Rücksicht genommen.

Beim zweiten Thema geht es stärker um das Individuum und um Coaching. Ich habe als Begleiter von Menschen wie auch am eigenen Leib die Erfahrung gemacht, dass wir bisweilen alten Lebensentwürfen nachtrauern. Manchmal sind das Berufswege, die wir irgendwann aufgeben mussten, manchmal sogar vollständig irreale, alternative Lebensentwürfe. Ich werde darüber sprechen, wie man solche abgelegten bzw. alternativen Identitäten auf gute Weise ins aktuelle und zukünftige Leben integriert.

 

 

EBS: Können Sie von Selbsterfahrungen in solch einer Phase berichten und wie Sie damit umgegangen sind?

 

Dr. Nico Rose: Ich trage selbst mindestens zwei solcher Aspekte in mir. In meiner Jugend war ich ein sehr guter Tennisspieler, aber eben nicht so gut, dass es für eine Profikarriere gereicht hätte. Bis in meine hohen 20er, inklusive meiner Zeit als Doktorand an der EBS Universität, habe ich bisweilen gespürt, dass mir das noch nachhing. Da war oft so ein „Was wäre, wenn? Was wäre, wenn du dieses eine Finale gewonnen hättest und ein Talentscout auf dich aufmerksam geworden wäre?“ Irgendwann bemerkte ich, dass mich das zunehmend belastet hat. In der Folge habe ich mir aus meinem Elternhaus einen Haufen alter Urkunden, Zeitungsberichte und andere Relikte aus dieser Zeit in meine damalige Wohnung mitgenommen. In einer Sommernacht bin ich mit einer Feuerschale in den Garten gegangen, habe die Sachen nach und nach angezündet und mit dem einen oder anderen Bier darauf angestoßen, ganz allein, für mich. Es ging also um ein bewusstes Abschiedsritual. Danach hat die Wehmut tatsächlich deutlich abgenommen. Interessanterweise habe ich im Nachgang auch nie wieder einen Tennisschläger angefasst. Da ist einfach kein Bedürfnis mehr, das Thema ist „durch“.

 

 

EBS: Passt eine Trauer-Transformationsphase in eine gewinnorientierte Organisation?

 

Dr. Nico Rose: Nach allem, was ich als Begleiter von Veränderungsprozessen beobachten darf: nein! In dem Sinne, dass diese emotionalen Vorgänge bewusst ignoriert und ausgeblendet werden, obwohl sie natürlich trotzdem stattfinden. Trauer ist ein in die Vergangenheit gerichtetes Gefühl. Die Vergangenheit ist für ein gewinnorientiertes System jedoch „uninteressant“. Da geht es immer um den nächsten Tag, das nächste Quartal, das nächste Jahr. Wenn Personen nicht ausreichend Zeit und Raum zum Loslassen bekommen, sind sie gefühlt „nicht ganz da“, weil sie mit einem Teil ihrer Aufmerksamkeit immer wieder in die Vergangenheit gehen. Diese Energie steht dann für den eigentlichen Change nicht zur Verfügung.

Manchmal wird das von Change-Verantwortlichen als Widerstand gedeutet, nach dem Motto: Die Leute wehren sich gegen „das Neue“. Die Gespräche, die ich über solche Vorgänge führen durfte, verleiten mich allerdings zu einer anderen Interpretation. Oft geht es nicht um die Ablehnung der Zukunft, sondern um eine Ablehnung der „Negierung von Vergangenheit“. Wenn Menschen seitens der Organisation das Gefühl gegeben wird, ihre in der Vergangenheit erbrachten Leistungen seien plötzlich wertlos, werden sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit emotional gegen den Wandel stellen – selbst, wenn sie kognitiv durchaus verstanden haben, dass das Neue, das Kommende, seine Berechtigung hat. 

 

 

EBS: Sehen Sie in Organisationen bei der Trauer-Transformationsphase noch Potenzial zur Optimierung?

 

Dr. Nico Rose: Auf jeden Fall! Das fängt – wie so oft – mit der schlichten Erkenntnis an, dass solche emotionalen Phänomene real, wahrscheinlich sogar unabdingbar, sind. Menschen sind fühlende Wesen und Trauer ist die natürliche emotionale Reaktion im Angesicht von Verlust und Abschied. Es stünde Unternehmen daher gut zu Gesicht, wenn sie neben ganz viel Zukunftskompetenz auch eine Art Trauerkompetenz entwickeln würden.

Gemeinschaftlich begangene Rituale können ein wichtiges Werkzeug auf diesem Weg sein. Das kostet natürlich Zeit und die muss man sich nehmen. Meine Wahrnehmung ist allerdings: Die Menschen nehmen sich irgendwann sowieso diese Zeit, sie machen das dann für sich selbst. Aus der Sicht der Organisation ist das allerdings eine vertane Chance, weil gemeinschaftlich begangene Rituale Bindung erzeugen: Bindung der Menschen untereinander, aber auch Bindung der Individuen an das System.

 

Dr. Nico Rose arbeitet als freischaffender Autor sowie Sparringspartner für Menschen und Organisationen. Von 2019 bis Anfang 2022 war er Professor für Wirtschaftspsychologie an der ISM Dortmund. Zuvor arbeitete er für Bertelsmann, zuletzt als Vice President im Stab des HR-Vorstands. Rose studierte Psychologie in Münster und promovierte an der EBS Universität in BWL. Zudem studierte er Positive Psychologie an der University of Pennsylvania. Jüngst ist sein siebtes Buch, „Hard, Heavy & Happy“, auf der SPIEGEL Bestseller-Liste gelandet. Er ist Kolumnist für WirtschaftsWoche und Business Punk.

 

Alle Informationen zur EBS Coaching & Leadership Conference finden Sie hier

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