Wie die COVID 19-Pandemie Einfluss auf gesellschaftliche Werte nimmt
Gemeinsam haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Werte-Stiftung und der EBS Universität den Einfluss der COVID-19-Pandemie auf den Wertewandel in der deutschen Gesellschaft untersucht.
Die empirische Erhebung kommt zu dem Ergebnis, dass bei ausreichend starken Eingriffen in bestimmte Bereiche des Lebens sich auch kurzfristig die Bedeutung insbesonders eingeschränkter Werte und Präferenzen stark verändern kann.
Die neue Normalität inmitten der COVID-19-Pandemie ist gekennzeichnet durch einen erhöhten Fokus auf persönliche Freiheit sowie mit ihr verbundener Werte und Einstellungen. Beispielsweise nimmt die Bedeutung von Freizeit stark zu, während die Wertigkeit von Arbeit abnimmt. Auch die Bedeutung weiterer freiheitsverbundener Werte, wie bspw. Unabhängigkeit und Phantasie, nimmt zu, während einschränkende Aspekte, wie bspw. Gehorsam oder gutes Benehmen, an Relevanz verlieren.
Unterschiede nach Altersgruppen
Zusätzliche Analysen nach Alter der Befragten zeigen auf, dass vor allem im Bereich einfacher, politischer Einstellungen – insbesondere mit Bezug auf das Demokratieverständnis der Befragten – signifikante Unterschiede nach Alter auftreten. Jüngere Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigen stärkere Präferenzen hin zu einem starken Staat (bspw. „das Volk gehorcht seinen Machthabern“), während ältere Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Schutz der Bürger (bspw. „Bürgerrechte schützen die Menschen (…)“) signifikant höhere Bedeutung beimessen. Gleichzeitig fällt die Bedeutung freiheitlich verbundener Kernwerte (Freunde & Freizeit) bei jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmern signifikant höher aus, während Politik bei älteren Befragten einen höheren Stellenwert einnimmt. Sowohl das Vertrauen in Banken als auch die Präferenz für Experten anstelle der Regierung fallen bei jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmern signifikant höher aus.
Drei Haupttrends
- Persönliche Freiheit: Die „neue Normalität“ ist bestimmt durch das Streben nach persönlicher Freiheit und mit ihr verbundenen Werten, wie Unabhängigkeit und Phantasie, oder immaterieller Präferenzen wie z.B. dem Wunsch nach schöneren Städten und Landschaften. Die Bedeutung von Werten wie Arbeit, gutes Benehmen und Gehorsam nimmt dagegen ab.
- Starker Staat: Im Angesicht der Pandemie hat die Unterstützung eines starken Staates zugenommen. Gleichzeitig nimmt die Wertigkeit der bürgerlichen Mitbestimmung und der freien Meinungsäußerung ab – mit Blick auf die Bedeutungszunahme der persönlichen Freiheit ein zunächst ambivalentes Ergebnis.
- Wissenschaft & Technologie: Es ist eine positive Einstellungsveränderung zu Wissenschaft und Technologie festzustellen sowie der verstärkte Wunsch, Experten sollten anstelle der Regierung entscheiden.
Zum Studiendesign
Die vorliegende Wertestudie ist die vierte Studie, die sich mit ethischen, gesellschaftlichen und werteorientierten Fragestellungen auseinandersetzt. In der vorliegenden Analyse werden ausgewählte Ergebnisse des World Value Surveys von 1994 bis 2019 für Deutschland zugrunde gelegt und mit den Ergebnissen einer eigenen empirischen Erhebung ergänzt, die als standardisierte Online-Befragung konzipiert und durchgeführt wurde. An dieser Befragung beteiligten sich im Oktober 2020 insgesamt 1.205 Personen. Das Studiendesign basierte auf ausgewählten Fragen der World Value Survey Association.
Die komplette Studie steht unten zum Download bereit.